Fahrräder von der Stange kommen für Helmut Jäckel nicht in Frage. Er sucht ältere, gebrauchte Schätzchen, die er in liebevoller Handarbeit wieder instand setzt. So machte er sich auf in die Offene Fahrradwerkstatt und versuchte sein Glück. In den Beständen konnte ihm Reinhold Tripp vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) Schwalmstadt weiterhelfen und ihm ein etwa 50 Jahre altes Peugeot-Rennrad anbieten.
In der Offenen Fahrradwerkstatt kann jeder nach Fahrrädern Ausschau halten. Helmut Jäckel* hatte es auf Oldtimer abgesehen. Die meisten anderen Interessenten suchen dagegen verkehrssicher aufbereitete Räder für den Alltag: Für den Weg zur Arbeit, zur Schule oder zum Einkauf. Grundsätzlich kann jeder vorbeischauen, der ein Rad sucht.
So kam auch der 14-jährige Ahmed* in Begleitung seiner Flüchtlingspatin Katharina Wüst* mit dem festen Wunsch nach einem coolen Mountainbike, um den täglichen Weg in die Schule zurückzulegen. Bei den übrig gebliebenen Rädern stand noch ein ganz passables Kettler-Damenrad. Aber wie sollte er vor seinen Freunden dastehen? Aber vor der Alternative Damenrad oder kein Rad = Laufen überwand er sich und nahm das Damenrad. Zwei Monate später war er wieder da. Das Damenrad war ihm gestohlen worden. Und diesmal hatte er Glück. Er war der erste Interessent und konnte sich aus drei Mountainbikes eines aussuchen. Zwar gebraucht und mit einigen Macken, aber die Erfüllung eines Herzenswunsches. Er hüpfte vor Freude und konnte sein Glück gar nicht richtig fassen.
Manchmal kommen auch Menschen mit außergewöhnlichen Wünschen. Wie etwa Guido Hahn. Er arbeitet beim Verband der hessischen Gebäudereiniger in Frankfurt. Zu seinem Arbeitsplatz fährt er täglich mit dem Zug. Den Rest des Weges in Frankfurt legt er mit dem Rad zurück. Zum wiederholten Mal war ihm sein Rad, das er in Frankfurt stehen lässt, gestohlen worden. Nun suchte er ein wirklich altes Rad: „Es muss aber schäbig aussehen, damit es unattraktiv für Diebe ist“, so der 55-jährige Schwalmstädter. Er nahm eins von den „alten Gurken“, das schon länger niemand haben wollte. Aber auch das fiel nach einigen Monaten Vandalisten zum Opfer, die die beiden Laufräder eintraten. Die nächste in der Fahrradwerkstatt erworbene „Rostlaube“ konnte er bis heute nutzen – toi, toi, toi.
Nicht alle Erlebnisse in der Fahrradwerkstatt berühren so wie die hier geschilderten. In jedem Fall leistet die Initiative mit ihrem Engagement aber einen wichtigen Beitrag zur Mobilität der in der Schwalm lebenden Menschen. Mit dem Instandsetzen gebrauchter Räder leisten sie einen wichtigen Beitrag zur Nachhaltigkeit.
Und Helmut Jäckel? Er hat sein Rennrad mit viel Einsatz und Liebe zum Detail wieder instand gesetzt. Vielleicht begegnen Sie ihm und den anderen auf einer Ihrer nächsten Radtouren in der Schwalm.
* Namen geändert